Entwicklungshilfe-Daten aus Eschborn via Internet in alle Welt

von Rainer Becker

Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH (GTZ) in Eschborn unterstützt im Auftrag der Bundesregierung entwicklungspolitische Projekte in aller Welt. Mehr als 6.000 Mitarbeiter sind im Ausland im Einsatz. In der Zentrale im Dag-Hammarskjöld-Weg in Eschborn sind rund 1.300 Beschäftigte tätig. Das Auftragsvolumen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), anderer öffentlicher Auftraggeber und im sogenannten Drittgeschäft betrug in den vergangenen Jahren etwa 1,7 Milliarden Mark. Seit 1996 befindet sich die GTZ in einem tiefgreifenden Veränderungsprozeß. Strukturen und Abläufe in den Projekten, den Büros im Ausland und der Zentrale in Eschborn sollen optimiert werden. Dabei steht eine erhöhte Flexibilität im Mittelpunkt.

Die GTZ nutzt Microsoft für die schnelle und flexible Kommunikation mit ihren 60 Büros und über 1.500 Projekten

Die GTZ stattet ihre Projekte und die rund 60 Büros in den Partnerländern mit mehr Kompetenzen aus. Dazu gehört, daß die Gesamtverantwortung für die Durchführung von Projekten und Programmen von Ansprechpartnern "vor Ort" wahrgenommen wird. Dienstleistungen, die bisher in Eschborn erbracht wurden, werden von Fachkräften in den Partnerländern garantiert. Die dafür notwendige Kommunikationsstruktur wird durch ein DV-Netzwerk geschaffen. Genutzt wird von der GTZ unter anderem das Internet. Es erleichtert nicht nur den schnellen Austausch zwischen den Organisationseinheiten der GTZ-Zentrale, sondern ermöglicht auch die elektronische Übertragung von Nachrichten, Dokumenten und anderen Informationen zwischen Eschborn und den Projekten und Büros im Ausland. Die Installation eines Webservers auf Microsoft Windows NT 4.0 und dessen Programmierung unter Microsoft Visual FoxPro 5.0 wurde vom Microsoft Solution Provider ISYS Softwareentwicklungs- und Verlagsgesellschaft in Kronberg realisiert.

Auftrags Monitoring System läßt sich von jedem Mitarbeiter zu jeder Zeit an jedem Ort nutzen

Die GTZ geht den Weg der Dezentralisierung. Mit der 1996 getroffenen Entscheidung strebt die GTZ eine flexiblere und schnellere Lösung der Probleme der Betroffenen in den Entwicklungsländern an. Wurden früher die Projekte zentral aus Deutschland gesteuert, liegt die Projektverantwortlichkeit heute "vor Ort". Eine Anforderung der GTZ an die PC-Lösung mit Standardsoftware, für die man sich auf Grund der höheren Flexibilität entschieden hatte, war Mehrsprachigkeit. Bei der GTZ wird Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Französich gesprochen. Drei Anwendungen spielen neben den betriebswirtschaftlichen SAP-Systemen die Hauptrollen: das Auftrags Monitoring System (AMS), das Projekt Accounting System (PACCS) und das Auftrag Planung System (APS). Das AMS wird zur Verfolgung von Projektkosten eingesetzt. Die wichtigsten Funktionen sind: vollständige Kostenrechnungsdaten, verfolgung der lokal angefallenen Kosten und Obligos, Einrichtung und Verwaltung von projektinternen Kostenträgern, Kostenstellen und Unterkostenarten sowie die Buchungen zulasten fremder Bearbeitungsnummern und die Verarbeitung von Mittelweitergaben. AMS ist eine Windows-Anwendung und auf Grund der grafischen Oberfläche von jedem Mitarbeiter einfach zu nutzen. Die Bedienung mit der Maus über Icons, Buttons und Scrollbars wird in Santiago de Chile genauso beherrscht wie in Dar-es-Salam oder Islamabad. Peter Zaske, Systementwickler und verantwortlicher Projektleiter: "Jeder Kollege in jeder Location kann sich jetzt über das Internet seine Kostenträgerdaten ins AMS holen. Damit ist ein ortsunabhängiges Monitoring möglich." 26 Länder, unter anderem Brasilien und Bolivien, Indonesien, Sri Lanka und Senegal, Tunesien und Zimbabwe, hängen schon am GTZ-Netz. Mit Erfolg. Die Einweisung erfolgt per E-Mail aus der Zentrale. Jede HTML-Seite, bestehend aus mehreren Text-Bausteinen, wird zunächst in deutsch erstellt und in einer Datenbank abgelegt. Diese wird dann übersetzt und dient als Basis für das Generieren der mehrsprachigen HTML-Seiten. "Der Vorteil der Nutzung von Textbausteinen", so Peter Zaske, "ist der geringe Wartungsaufwand."

350.000 Datensätze in einer Microsoft Visual FoxPro-Datenbank

Wie funktioniert die Internet-Lösung mittels Microsoft Produkten bei der GTZ? Ein Beispiel: Der User "Mustermann" in Indien meldet sich beim Microsoft Internet Information Server 2.0 mit seinem Microsoft Internet Explorer an und wählt die gewünschten Projektdaten mit der Maus aus. Er bekommt zu allen Projekten, mit denen er beschäftigt ist, Zugriff. Peter Zaske: "Das Programm, das auf dem Server in Eschborn läuft, filtert sich die angeklickten Parameter heraus und startet eine SQL-Abfrage auf die abgelegten Daten." Auf dem Microsoft NT Server 4.0 in Eschborn befinden sich 350.000 Datensätze mit 60 Megabyte in einer Microsoft Visual FoxPro 5.0 Datenbank. Die für ihn bestimmten Teile davon erhält User "Mustermann". Das Programm packt ein Paket (Zip-File) und schickt es über das Internet zum User nach Indien.

Alle Systeme bei derGTZ haben Schnittstellen zur zentral genutzten SAP-Welt. Mitte 1997 soll der Umstieg von SAP/R2 auf SAP/R3 vollzogen werden. Zur Zeit läuft SAP auf Informix. Alle Projektfinanzdaten von weltweit rund 1.500 Entwicklungshilfeprojekten können mit der Hilfe der Microsoft-Lösung abgefordert werden. In AMS wird der SAP-Extrakt monatlich, bei Bedarf wöchentlich oder täglich erstellt und dann ins Internet gestellt. Die technischen Voraussetzungen für das Downloading der SAP-Kostenträgerdaten via Internet: Internet/www-Zugang, Web-Browser (z.B. Microsoft Internet Explorer 2.x oder höher), Benutzerkennung und Paßwort. "Wir haben den Weg der angepaßten Technik beschritten", erläutert Zaske die Vorgehensweise der Gesellschaft. Früher wurden die Daten aus Eschborn auf Disketten von Kurieren oder per Luftfracht in die Außenstellen gebracht. Das Ganze dauerte oft zwei, drei oder vier Wochen. Seit September 1996 nutzt die GTZ das Internet für diese Aufgabe. Zaske: "Das Internet ist nach Lösung der Kapazitäts- und Sicherheitsproblematik das ideale Medium." Mittelfristig plant man Intranet-Lösungen. Für 1997 hat man Lösungen über ein Virtual Private Network im Internet, kurz VPN, ins Auge gefaßt. Dann wird nicht mehr der File-Transfer benötigt, sondern ein Online-Zugriff auf die zentralen Datenbestände ist möglich.

"Die Objektorientierung ist beispielhaft"

Seit etwa zehn Jahren ist die GTZ FoxPro Anwender. Alle Eingangs genannten Systeme wurden unter FoxPro entwickelt. Seit dem Frühsommer arbeitet man mit dem Microsoft Solution Provider ISYS zusammen. ISYS Geschäftsführer Rainer Becker war der GTZ bekannt als kompetenter Fachmann in Sachen Visual FoxPro im Internet. Durch die Partnerschaft sei die GTZ "einfach näher an Microsoft, als wir es alleine könnten", begründet Zaske die Notwendigkeit der guten Partnerschaft mit der kleinen Firma aus Kronberg. Für einen großen Kunden wie die GTZ sei es wichtig, frühzeitig zu wissen, was Microsoft plane: "Vor allem für unsere strategischen Ausrichtungen ist das hilfreich." Als Beispiel nennt Peter Zaske das Programm Visual FoxPro 3.0 und 5.0: "Wir sind bei diesen Programmen geblieben, weil Microsoft diese Entwicklungsumgebung für das Internet geöffnet hat." Visual FoxPro 5.0 läuft auf einem Windows NT Server 4.0 in Eschborn. Es existiert eine Schnittstelle zum Internet Information Server 2.0. So können die Anforderung aus dem Internet bis zu Visual FoxPro "durchgereicht" werden. Peter Zaske: "Die Objektorientierung von Visual FoxPro 5.0 ist beispielhaft im Bereich der PC-Entwicklungsumgebung." Der Vorteil, so Peter Zaske: "Wir sparen erheblichen Entwicklungsaufwand, weil der wiederverwendbare Code nicht noch einmal entwickelt werden muß." So sei man von einem "Maßanzug" zu einer "individualisierten Konfektionsware" gekommen. Für Rainer Becker ist das Besondere der Lösung, "daß diese Service-Anwendung bereits vollständig objektorientiert und wiederverwendbar programmiert ist". Peter Zaske: "Das heißt, daß eine Vielzahl von zukünftigen betriebswirtschaftlichen Anwendungen diese bestehende Anwendung mit nutzen kann - sowohl im Internet als auch im Intranet."

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist ein Beispiel für eine Fallstudie. Die hier beschriebene Lösung wurde 1996 implementiert und ist schon lange durch eine neue Lösung unter "Active FoxPro Pages" ersetzt worden.